13.02.2003

Werter Herr Dr. Sauberzweig,

mit dem allergrößten Interesse habe ich Ihre Mail studiert und die zugehörige Internetseite. In der Tat beschreiben Sie ein relevantes Problem, das der Verbreitung Ihres innovativen Ansatzes sicherlich gewichtig entgegensteht.

Ob allerdings die Aufnahme des Dosenstroms in den Katalog der vom Tatbestand des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG) erfassten Ökostromerzeugungsanlagen den richtigen Weg darstellt, ist mit einem Fragezeichen zu versehen. Denn das EEG stellt darauf ab, solche Ökostromerzeugungen in den Einspeisevorrang und die Mindestvergütung einzubeziehen, die zweifelsfrei und ökologisch relativ unproblematisch der Ökostromproduktion zugeordnet werden können. So ist zum Beispiel die Biomassezufeuerung in konventionellen Kraftwerken vom EEG ausgeschlossen, wiewohl sie genau so viel CO2 einspart wie in anderen, speziellen Biomasseverwendungen. Es ist für den Gesetzgeber nicht mehr nachprüfbar, ob tatsächlich Biomasse, wie im EEG beschrieben, verwendet wird oder nicht doch eine Schippe ordinärer Kohlen. Und ähnlich wird der Verbraucher respektive die Verbraucherin bei der Stromdose nicht pauschal sicher sein können, dass nur Ökostrom abgefüllt wurde oder die Dose nicht doch virtuell strahlt.

Hier eröffnet sich ein Anwendungsfeld für marktinduzierte Produkte, die, mit einem Label versehen, sehr spezifisch überprüft werden können. So lassen die Labelkriterien des EnergieVision e.V. ( dem vom Öko-Institut, von der Verbraucher-Zentrale NRW und vom WWF getragenen Verein zur Förderung von Markttransparenz und Nachhaltigkeit in der Energiewirtschaft) beispielsweise zu, dass Ökostrom aus Biomassezufeuerung erzeugt wird. Die entsprechenden Stoffstrombilanzen werden von einem Ingenieurbüro begutachtet und aufgrund des entsprechenden Testats das Label vergeben. Vorstellbar wäre, die Labelkriterien auch auf Dosenstrom auszudehnen. Damit könnte das vom EnergieVision e.V. herangezogene "Händlermodell" auch stofflich umgesetzt werden, weil die Dose sozusagen von Hand zu Hand wandern kann, anderes, als dies bei der Netznutzung, dem ollen Herrn Kirchhoff wegen, schon physikalisch sein kann.

Auch zum Produktmarketing fallen dabei spontan innovative Lösungen ein. So könnte das ok-power-Label die Dose zieren, das Label wäre also unmittelbar mit dem Produkt verknüpft. Dafür eignet sich insbesondere das 0,33-Liter Gebinde (Standardgröße). Das Labelkriterium "33 % zusätzlicher Umweltnutzen" des EnergieVision e.V. ließe sich so sehr bildhaft umsetzen, wenn z.B. exakt ein Drittel der Dose (oder 0,11 Liter, was einem guten Schluck entspricht) in grün eingefärbt oder, besser noch, mit einer Blümchentapete drapiert würde (versteht sich von selbst, dass hierfür die Abbildung eines ökologisch vorteilhaften Magerrasens mit seiner unendlichen Artenvielfalt heranzuziehen wäre).

Eine kleine "Batterie" von Fragen bleibt aber noch: Aus welchem Material besteht die Dose? Ist sie in ein Mehrwegsystem eingebunden oder zumindest recyclefähig? Gibt es schon ein ausreichend dichtes Liefer- und Rücknahmenetz, oder muss man befürchten, dass statt Coladosen künftig leere Stromdosen die Landschaft bevölkern? Wird sie, soweit Einweg, in das vom Handel geplante allgemeine Rücknahmesystem integriert, oder muss ich mich als Verbraucher mit den elendigen Pfandmarken oder Bons rumärgern und jede leere Dose wieder zu ihrem Kaufort zurückbringen?

Sie sehen, werter Herr Dr. Sauberzweig, trotz vielfach positiver und weiterführfähiger Ansätze bleibt doch noch eine Reihe von Fragen zu beantworten. Ich bin sehr gespannt auf die weitere Entwicklung und die öffentliche Resonanz auf Ihre bahnbrechenden Ideen (apropos "bahnbrechend": haben Sie schon einmal daran gedacht, dass die Deutsch Bahn, anstatt Dieselloks in Zeiten von Eisregen vorzuhalten, doch besser einen kleinen Güterwaggon mit Stromdosen mit sich führen könnte (so ähnlich wie früher die Kohlentender) oder dass das Servicepersonal, statt ordinären Pulverkaffee im in der zweiten Klasse herumzufahren, auch Stromdosen für die vergeblich Steckdosen suchenden Laptopnutzer auf ihren Trolleys mitführen könnte?).

Mit kollegialen Grüßen
Helmfried Meinel

Verbraucher-Zentrale NRW
www.vz-nrw.de